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Art for Future und Auszeit vom Krieg

Zwei Wochen ohne Raketenalarm im Schullandheim Langholz bei Eckernförde

Ursprünglich 2021 als eine deutsch-ukrainische Projektfahrt „Art For Future“ mit finanzieller Unterstützung der Stiftung West-Östliche Begegnungen für 2 Lehrkräfte und 10 Jugendliche geplant, wurde das Vorhaben nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine in einen Erholungsaufenthalt von insgesamt 40 Personen – Mütter und Kinder der gefallenen Soldaten ausgeweitet, die u.a. aus den Partnerschulen der JMS kommen, nämlich aus dem kleinen Städtchen Brody im Westen der Ukraine und aus der Hauptstadt der Ukraine Kyjiv.

Stiftung West-Östliche Begegnungen

Weitere Zuschüsse für die Busfahrt kommen von der Stiftung „Sumna Kvitka“/ „Traurige Blume“, die seit 2014 die Hinterbliebenen der Kriegsgefallenen unterstützt. Zahlreiche Spenden vieler Ortsfirmen, insbesondere der Stadtwerke S-H, Provinzial, der Serviceclubs von Rotary und Lions aus Eckernförde, Schleswig und Kappeln, des DRK Fleckeby deckten die Unterbringungskosten mit Vollpension im Schullandheim Langholz und die Kosten für das abwechslungsreiche Programm ab. Auch die Vielzahl von kleineren Einzelspendern, die Elternschaft und die Schülerschaft der Jungmannschule, vor allem aus der Klasse 7c, haben dazu beigetragen, dass dieses Projekt ohne öffentliche Mittel finanziert werden konnte.

Marta Tsar (Brody), Bogislav-Tessen von Gerlach ( Barkelsby), Kateryna Kharytych (Eckernförde) und Oksana Paprotska (Lviv) koordinieren gemeinsam das Projekt

Die Organisatorinnen und Organisatoren des Projekts zeigen seit Jahren sozial-gesellschaftliches Engagement und stärken sich nun gegenseitig in ihrer Arbeit mit traumatisierten Müttern und Kindern.

„Ziel des Projekts war und ist es, Familien aus der Ukraine zu helfen, die ihre Eltern in diesem unvorstellbaren Kampf des ukrainischen Volkes gegen die russischen Invasoren verloren haben. In diesem Jahr, vom 14.07. bis 27.07., konnte das Projekt 12 Familien helfen, dem militärischen Alltag zu entkommen, was sowohl für die Kinder als auch für ihre Mütter äußerst wichtig ist. Die Familien aus der Ukraine hatten die Möglichkeit, ihre Erholung am Langholzer Strand mit vielen kreativen Bastel- und Sportangeboten vor Ort zu genießen, die Bonbonkocherei in Eckernförde zu besichtigen, Freizeit im St. Nicolaiheim in Kappeln zu verbringen und wunderschöne Städte wie Hamburg, Lübeck, Kiel, Eckernförde und Flensburg kennenzulernen. Und natürlich sind wir Herrn Carl, dem Gutsherrn von Gut Ludwigsburg, sehr dankbar, dass er die Kinder mit Pferden bekannt gemacht hat. Diese wunderbaren Tiere konnten alle in gute Stimmung versetzen. Während ihres Aufenthalts in Deutschland konnten die ukrainischen Familien ein wenig zur Ruhe kommen und ihre Kräfte mit guten Gefühlen stärken, was heute das Wichtigste ist. Ich glaube, dass diese Reise den Schmerz über den Verlust, den viele Familien in der Ukraine erleiden, lindern konnte. “ So Marta Tsar, die als Deutschlehrerin an der allgemein bildenden Schule Nr.4 in Brody arbeitet und seit 2020 Schüleraustauschprojekte in Zusammenarbeit mit der Jungmannschule Eckernförde leitet.

Für alle Mitwirkenden ist es ein persönliches Anliegen, die ukrainischen Kinder und Jugendlichen sowie ihre Mütter zu unterstützen. Gestärkt wird das Koordinator(inn)en-Team durch die Schirmherrin des Projekts Dr. Sabine Sütterlin-Waack, Ministerin für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport in Schleswig-Holstein, die sich mit persönlichen Grußworten an die angereiste Gruppe wendet:

„Was Ihr seit dem russischen Angriff auf die Ukraine durchlebt habt, können wir uns nicht vorzustellen. Wir können nur versuchen, einen kleinen Beitrag zu Eurem Wohlergehen zu leisten und unsere Anteilnahme ausdrücken, die ich hiermit im Namen der gesamten Landesregierung überbringe. Euer Schicksal erschüttert uns zutiefst. Und vor allem hoffen wir mit Euch, dass bald wieder Frieden in Eurem Land herrscht.“

5-jährige Milana aus Lviv als Sinnbild für die Ukraine mit ihren weiten Korn- und Blumenfeldern, für eine Zukunft ohne Raketenalarm, für Kinderlächeln ohne Krieg

Wir machen weiter! Helfen Sie uns helfen! Jede kleinste Spende zählt:

Rotary-Hilfe Gottorf e.V.,
Stichwort „Ukrainehilfe“
IBAN:
DE91 2169 0020 0001 4584 50

Kontakt Projektleitung: Kateryna Kharytych 015906162955 und Bogislav Tessen v. Gerlach bt@vgerlach.de

Mehr dazu in einem Video unter : https://www.sat1regional.de/auszeit-vom-krieg-initiative-aus-eckernfoerde-ermoeglicht-ukrainischen-hinterbliebenen-urlaub-an-der-kueste/

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Mehrsprachigkeit stärken Sprachen lernen und lehren

Eigene Identität trotz gemeinsamer Sprache

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Ich bin in Tschetschenien geboren. Ich denke oft an die erhabenen Berge meines Landes. Das Kaukasus-Gebirge ragt bis zu den Wolken und symbolisiert für mich ein Tor zur Trennung von der russischen und tschetschenischen Kultur. Tschetschenien liegt zwar in Russland, aber es hat seine eigene Kultur.

Russische Sprache begleitet mich seit meiner Kindheit und ich finde, es ist eine sehr schöne Sprache und besonders ist die Aussprache schön. Das Fach Russisch habe ich gewählt, weil mir Russisch Spaß macht und ich es wieder besser lernen will, denn ich habe es ein wenig verlernt, wegen der deutschen Sprache. Seit ich in Deutschland bin, gucke ich seltener Filme auf Russisch und spreche weniger auf Russisch. Es fällt mir leicht, anderen zuzuhören, aber es fällt mir schwer, eine lange Konversation zu halten. Im Russischunterricht gefallen mir die russischen Spiele, z.B Memory.

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Mehrsprachigkeit stärken Sprachen lernen und lehren

Wie ich zur russischen Sprache kam…

Meine erste Berührung mit Russisch hatte ich im Jahr 1997. Ich habe mein Abitur an einer Waldorfschule gemacht und da viele Waldorfschulen eine besondere Affinität zum Russischen haben, ist an meiner Schule Russisch als zweite Fremdsprache vorgesehen. Und nicht nur das: um den Kindern einen frühen und spielerischen Zugang zu den Fremdsprachen zu bieten, beginnt der Englisch- und Russischunterricht dort bereits in der ersten Klasse. Im ersten Jahr hörten wir viele russische Märchen und Geschichten (auf Deutsch) und malten dazu Bilder mit Wachsmalstiften in unser Russischheft. In meinem Heft finden sich etwa die dreibeinige Hütte der Baba Yaga und der Ded Moroz. Hinzu kamen dann irgendwann Lieder und kleine Sprüche. In den ersten vier Jahren sollen die Schüler*innen behutsam in die Sprache eintauchen ohne viel über die sprachlichen Strukturen zu lernen. Der strukturelle Sprachunterricht erfolgt dann ab Klasse 5 und zieht sich bis zum Abitur. So habe ich etwa Russisch als Leistungskurs gewählt und meine Abiklausur über Solschenizyn geschrieben. Das Fach Russisch war für mich meine gesamte Schulzeit eng an meinen grandiosen Russischlehrer gekoppelt; ein erfahrener Lehrer mit unschätzbaren Mengen an handgeschriebenem Unterrichtsmaterial, liebevoll selbst illustrierten und auf der Schreibmaschine getippten Geschichten wie «Три медведя». Auch wenn sich sein Unterricht mehr auf die Vermittlung der grammatischen Strukturen und der Lexik als auf die kommunikative Kompetenz versah, so war es die herzliche und geduldige Art des Lehrers, die diesen trockenen Unterrichtsgegenstand belebte.

Nach dem Abitur wollte ich den Praxistest wagen und habe über unseren Nachbarn Kontakt zum Leiter des russischen Goetheinstituts aufgenommen, der mir ein dreimonatiges Praktikum in den Außenstellen in Perm und Nischny Nowgorod vermittelte. So kam ich an einem heißen Sommernachmittag Anfang August 2010 auf dem Moskauer Flughafen an und kämpfte mich bis zum Bahnhof durch, wo ich meinen Zug verpasste. Die Frau am Fahrkartenschalter verstand mein Russisch nicht und schloss ihr Fenster. Ein erster Praxistest meiner Russischkenntnisse war fehlgeschlagen. Der Verzweiflung nahe sprach mich ein junger Soldat an und mit Händen, Füßen und meinem Taschenwörterbuch konnten wir uns doch irgendwie verständigen und er hämmerte gegen den nun geschlossenen Schalter der Frau, um mir ein neues Ticket zu kaufen. 22 Stunden später kam ich Perm an und wurde am Bahnsteig von meiner Kollegin Sascha abgeholt, bei der ich die kommenden zwei Monate leben durfte. Die Zeit in Russland hat mich sehr geprägt: Ich habe viele gastfreundliche, herzliche und gute Menschen kennengelernt, die mich ohne Vorurteile von der ersten Sekunde an willkommen geheißen, geholfen und geschätzt haben. Auch habe ich unsagbar viel kulturelles Wissen über Russland sammeln können, da meine Kollegin ihren Alltag, ihr Bett, ihr Essen mit mir teilte und mich überall mit hingenommen hat, so etwa auf die Datscha oder am Wochenende zum Mittagessen zu ihrer Mutter. Aber ich habe erkennen müssen, dass mein Schulrussisch weit entfernt vom gesprochenen Russisch ist und es für mich harte Arbeit ist, an realen Gesprächen im Zielsprachenland teilzunehmen. Ich übte und übte und machte ganz langsame Fortschritte.

Im Oktober 2011 habe ich mich für die Fächer Russisch und Deutsch an der Universität Kiel eingeschrieben und mein Plan stand fest: ich möchte Russischlehrerin werden und den Schüler*innen alles an die Hand geben, damit sie sich in einem russischsprachigen Land gut und sicher verständigen können. Leider musste ich an der Uni in den Sprachanfängerkurs und war zunächst stark unterfordert. Irgendwann schlug das Pendel dann um und ich war neben den vielen Herkunftssprecher*innen dann häufig überfordert, so etwa in den Modulen Fachsprache oder Morphologie. Aber nach dem fünfjährigen Studium und einigen weiteren Aufenthalten und Reisen nach Russland bin ich nun Referendarin und unterrichte mit viel Freude Russisch.